Direkter Draht nach Südostasien
Statement von Joël Mesot, Präsident ETH Zürich im swiss export Journal 4/20.
Als sich im Februar die Zeichen verdichteten, dass die Covid-19-Pandemie auch die Schweiz bald treffen würde, standen wir täglich im Austausch mit dem Singapore-ETH-Center (SEC), wo gegen 200 unserer Forschenden arbeiten. Die Einschätzung vor Ort, wo die Auswirkungen der Pandemie früher zu spüren waren, half, uns auf den Ernstfall in der Schweiz vorzubereiten. Dieser trat kurze Zeit danach auch ein – mit der sofortigen Umstellung des Präsenzunterrichts auf Fernunterricht sowie der Suspendierung der experimentellen Forschung. Unser Forschungshub in Singapur spielte aber nicht nur in dieser Ausnahmesituation die Rolle eines Frühwarnsystems.
Die Gründung des SEC mit Unterstützung der National Research Foundation in Singapur liegt zehn Jahre zurück. Die Arbeit des SEC hat unser Auge für die spezifischen Herausforderungen Singapurs – eines der Gründerstaaten der ASEAN-Gruppe – und ganz Südostasiens geschärft. Mit der ETH-Präsenz in Singapur bot sich die Möglichkeit, in einer der dynamischsten Weltgegenden zu Themen zu forschen, die auch für Europa und die Schweiz relevant sind. Mit dem «Future Cities Laboratory» legten wir zu Beginn den Fokus auf die Entwicklung nachhaltiger Städte. Ein zweites Programm zu «Future Resilient Systems» konzentriert sich auf Risiken kritischer Infrastrukturen. Als drittes Standbein unserer Forschung in Singapur haben wir kürzlich mit unseren Partnern die Initiative «Future Health Technologies» lanciert.
In Singapur, aber auch in Indonesien oder Vietnam haben unsere Forschenden und ihre Partner im Kontext einer schnell voranschreitenden Urbanisierung über all die Jahre innovative Lösungen erarbeitet. Stellvertretend ein paar konkrete Beispiele: In «Cooling Singapore» untersuchen wir zusammen mit Universitäten, Firmen und staatlichen Stellen den Effekt der städtischen Wärmeinsel und entwickeln exportfähige Strategien, um Städte in den Tropen und weltweit lebenswert zu erhalten. Eine Problematik, die auch Städte in unseren Breitengraden kennen. Zuvor entwickelte das SEC ein Planungstool, das relevante Raumdaten zusammenführt und in Echtzeit sichtbar macht, zum Beispiel die Erreichbarkeit von Spitälern in Covid-19-Regionen. Vier indonesische Städte – Bandung, Semarang, Palembang und Makassar – setzen dieses Tool ein. In einem weiteren Projekt hat man unter Verwendung lokaler Materialien wie Bambus ein günstiges, modulares Haus entwickelt für rasch wachsende Agglomerationen. Die Liste liesse sich beliebig verlängern.
Unabhängig von den Aktivitäten am SEC und im Auftrag des Bundes, ist die ETH Zürich seit 13 Jahren Leading House für das bilaterale Kooperationsprogramm der Schweiz mit Ländern in Ostund Südostasien. Das betraf zuerst China, dann kamen Japan und Südkorea hinzu, und seit 2013 sind auch die ASEAN-Staaten Teil des Programms. Aber nicht nur deshalb hat sich der Entscheid, nach Singapur zu gehen, als richtig erwiesen. Unsere Präsenz in Asien bringt allen einen Mehrwert. Nebst dem Netzwerk, den Erfahrungen unserer Doktorierenden und Forschenden profitiert die Schweiz von neuen Erkenntnissen und Innovationen aus der Zusammenarbeit mit unseren südostasiatischen Partnern. Der Aussenposten verschafft der ETH und der Schweiz einen Wissensvorsprung im globalen Wettbewerb.
Für weitergehende Informationen: https://sec.ethz.ch/
swiss export Journal 4/20