KMU Mittelstandstudie 2019
Die Zukunftsaussichten der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der Schweiz verschlechtern sich. Die grösste Sorge: unsichere Aussenhandelsbeziehungen. Das zeigen die Ergebnisse der zweiten KMU-Studie von A.T. Kearney und swiss export zusammen mit tradeshift. Besonders aufschlussreich sind die Verschiebungen im Vergleich zur Befragung von 2018. Ein wichtiges Thema, das sich für die Zukunft abzeichnet: Environment, Social und Governance. Von der Konzernverantwortungsinitiative erwarten die KMU negative Auswirkungen.
KMU sind pessimistischer: Wie selbstbewusst und zukunftsfest ist die Exportnation Schweiz?
Im Vergleich zum vergangenen Jahr ist der Ausblick der KMU spürbar pessimistischer geworden und haben sich die gefühlten Risiken verändert: Die grösste Sorge der Schweizer KMU bezieht sich nun auf die Aussenhandelsbeziehungen zur Europäischen Union, während es im vergangenen Jahr noch der Fachkräftemangel war. Und damit bekommt natürlich auch der Appell an die Politik mehr Dringlichkeit als noch 2018», kommentiert Markus Stricker, Partner und Managing Director von A.T. Kearney Schweiz.
Gefahren in Sicht: Unsichere Aussenhandelsbeziehungen
Für knapp 60 Prozent der befragten KMU ist eine Abkühlung der Beziehung zur EU das grösste Konjunkturrisiko in den nächsten 12 Monaten (eine Verdopplung im Vergleich zu 2018). Weitere grösste Risikothemen: der zunehmende Protektionismus (42 Prozent) und aussenpolitische Entwicklungen (39 Prozent). Auch eine nachlassende Exportdynamik (33 Prozent 2019 versus 17 Prozent noch 2018) und die europäische Schuldenkrise (32 Prozent 2019 gegenüber nur 12 Prozent 2018) sind viel stärker in den Fokus gerückt.
Dabei beurteilen nach wie vor gut zwei Drittel der befragten Unternehmen ihre aktuelle Wirtschaftslage als gut bis sehr gut. Das sind sogar fünf Prozentpunkte mehr als im vergangenen Jahr. Einen absteigenden Trend zeigt dagegen der Ausblick auf die allgemeine konjunkturelle Lage. Beurteilten im vergangenen Jahr noch 81 Prozent die künftige Lage als gut oder sehr gut, sind es in diesem Jahr nur noch 62 Prozent. Ein Rückgang um über 20 Prozentpunkte ist bei der Einschätzung der zukünftigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verzeichnen (von 67 Prozent gut bis sehr gut auf nur noch 44 Prozent). «Damit geht nicht einmal mehr die Hälfte der Unternehmen für die Zukunft von guten bis sehr guten Bedingungen aus» resümiert Claudia Moerker, Geschäftsleiterin von swiss export. Mit Blick auf den Ertrag seien die Unternehmen zwar weitgehend optimistisch, aber doch weniger als im vergangenen Jahr: Heute rechnen 66 Prozent mit einem höheren Umsatz, das sind 10 Prozentpunkte weniger als im vergangenen Jahr. Rechneten 2018 noch 42 Prozent mit steigender Umsatzrendite, sind es 2019 nur noch 34 Prozent.
ESG – die Aufgabe der Zukunft
Gefragt nach der Rolle von Environmental, Social und Governance (ESG) für ihr Unternehmen geben 81 Prozent an, dass die Relevanz in den letzten ein bis zwei Jahren zugenommen beziehungsweise sogar stark zugenommen hat. Dass dieser Trend sich fortsetzen könnte, zeigt die Tatsache, dass ESG bei einem Viertel der Unternehmen bislang nur eine geringe Bedeutung hat bzw. sogar vernachlässigt wird, also noch Aufholbedarf besteht. 43 Prozent haben ESG-Richtlinien in ihren Prozessen bereits berücksichtigt, bei weiteren 21 Prozent ist es angedacht und die Hälfte überprüft bereits ihre Lieferanten. Aufhorchen lässt dagegen, dass knapp zwei Drittel keine verantwortliche Stelle für ESG eingerichtet haben, bei mehr als der Hälfte Handbücher und Richtlinien noch fehlen und knapp die Hälfte noch nie eine interne Informationskampagne zu ESG durchgeführt haben. Kulturell haben die Unternehmen mit Blick auf ESG also noch eine gute Wegstrecke vor sich.
Gefragt nach den erwarteten Auswirkungen der Konzernverantwortungsinitiative auf die Schweizer KMU, antworteten 34 Prozent mit negativen bis sehr negativen Folgen. Denn obwohl die KMU von der erweiterten Haftbarkeit ausgenommen wären, sind sie natürlich abhängig von der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung sowie als Zulieferer grösserer Unternehmen in deren Wertschöpfungskette integriert. Allerdings stehen dem auch 17 Prozent Befürworter gegenüber, die von positiven bis sehr positiven Auswirkungen ausgehen.
Fitness- und Innovationsprogramm
Die KMU in der Schweiz, so Stricker, seien seit jeher zu Recht stolz auf ihre hohe Effizienz und ihre Innovationskraft, wüssten aber auch, dass sie sich darauf nicht ausruhen dürften. Die Steigerung der Effizienz und der Innovationskraft bleibt daher ein wichtiges Thema für die KMU: 77 Prozent der KMU arbeiten aktuell an der Verschlankung ihrer Prozesse und 85 Prozent meinen, dass ihr Unternehmen ihre Innovationskraft erhöhen müsse, obwohl 79 Prozent meinen, bereits überdurchschnittlich zu investieren und 85 Prozent davon ausgehen, im Markt als sehr innovativ wahrgenommen zu werden. Innovationen, so betont auch Moerker, sei für die KMU keine einmalige Angelegenheit, sondern getragen von kontinuierlichen Investitionen und einer entsprechenden Innovationskultur.
Forderungen an die Politik
Der Appell an die Politik wird eindeutig lauter: Unklare Rahmenbedingungen fallen heute schwerer ins Gewicht als 2018 (81 Prozent in 2019 gegenüber 74 Prozent 2018) und auch dem Vertrauensverlust in politische Institutionen wird leicht mehr Bedeutung beigemessen. Wie im vergangenen Jahr sind die Beziehungen zur EU, eine gute Lösung für den künftigen Marktzugang und gleich lange Spiesse im internationalen Wettbewerb, das wichtigste Thema, um das sich der Bundesrat kümmern sollte – im Vergleich zu 58 Prozent in 2018 geben dies nun sogar zwei Drittel an. Zweitwichtig, wie im vergangenen Jahr, ist der Abbau der Bürokratie. An dritter Stelle stehen, wie im vergangenen Jahr, aber mit wachsender Relevanz, die attraktiven wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen.