Global tätig und trotzdem regional verankert
Die Weidmann Holding AG ist als weltweit tätiger Technologiekonzern an rund 30 Standorten vertreten. Durch diese Konstellation ist der Konzern in der Lage, bei regionalen Krisen wie zu Beginn des Ukrainekrieges Produktionslose von einem Ort zum anderen zu verschieben. Für Verwaltungsratspräsidentin Franziska Tschudi Sauber sind diese Agilität und die Resilienz der Mitarbeitenden wichtig, um schwierige Phasen zu meistern.
Die aktuell unsteten Zeiten machen den international tätigen Firmen zu schaffen. Wie verletzlich die Weltwirtschaft ist, hat sich schon in der Zeit der Corona-Pandemie ein erstes Mal offenbart. Durch den Ukrainekrieg haben sich die Schwierigkeiten nochmals akzentuiert. Ganz besonders spürt dies das Familienunternehmen Weidmann Holding AG aus Rapperswil-Jona, das unter anderem technische Produkte wie Isolationssysteme für Transformatoren, Spritzgusskomponenten für die Medizintechnik sowie mikrofibrillierte Zellulose herstellt und damit verbundene Dienstleistungen anbietet. Weltweit ist die Weidmann Gruppe an rund 30 Standorten vertreten, einer davon befindet sich in der Ukraine westlich von Kiew, wo ein grosses Werk für die Herstellung von Spezialpapieren betrieben wird.
Werk aus der Sowjetzeit modernisiert
Wie Franziska Tschudi Sauber, Präsidentin des Verwaltungsrats der Weidmann Holding AG, im Gespräch ausführt, stammt das Werk aus der Zeit der Sowjetunion und befindet sich seit Anfang dieses Jahrhunderts im Besitz des St. Galler Familienunternehmens. «Nach der Übernahme haben wir es zu einem modernen Betrieb mit rund 600 Mitarbeitenden um- und ausgebaut», sagt sie. Die dort hergestellten speziellen Kartons, Papiere und Isolationskomponenten für Transformatoren werden hauptsächlich nach Westeuropa exportiert, wurden aber auch in den osteuropäischen Markt und nach Russland geliefert. «Als der Krieg ausbrach, haben wir den Betrieb in der ukrainischen Fabrik sofort herunter- und nach etwa drei Monaten Schritt für Schritt wieder hochgefahren.» Anfänglich wurden gewisse Teile der Produktion für kurze Zeit nach Rapperswil verlagert.
Weil das Rohmaterial Zellulose in der russischen Republik Karelien eingekauft worden war, musste Weidmann neue Lieferanten suchen. Heute kommt die Zellulose aus Nordeuropa. «Zudem galt es, die Lieferkette und die Logistik neu auszurichten, und wir hatten mit Energieunterbrüchen zu kämpfen», erklärt Franziska Tschudi Sauber. Um die Kunden trotzdem weiterhin zuverlässig beliefern zu können, baute Weidmann andere Produktionsstandorte in Kroatien und in der Türkei aus, was eine finanzielle Belastung war. Aber die Möglichkeit, auf alternative Standorte auszuweichen, sei eine Form der Resilienz, um in einer Krise zu bestehen.
Widerstandsfähig und krisenerprobt
«Seit der Wiederaufnahme der Produktion in der Ukraine wird Russland von uns nicht mehr beliefert», führt die Verwaltungsratspräsidentin aus. In der Ukraine habe die Weidmann Gruppe die Kriegsschäden aus eigener Kraft und ohne Regierungshilfe behoben. «Das Land ist froh, dass unsere Arbeitsplätze erhalten bleiben», sagt Franziska Tschudi Sauber. Die Ukraine sei immer ein guter Standort gewesen und werde es auch bleiben – nicht zuletzt wegen der gut ausgebildeten und motivierten Mitarbeitenden. Die Weidmann Gruppe ist durch die Corona-Pandemie schon krisenerprobt, konnte aber dank ihrer Systemrelevanz ausser in China immer überall produzieren. «Und schon davor mussten wir Währungs- und Wirtschaftskrisen meistern, weshalb wir seit 2009 eigentlich fast immer im Krisenmodus sind und Krise können!»
Gute Kommunikation und die Verbreitung von Zuversicht seien dabei wichtig, um die Führungskräfte zu stärken und resilient zu machen. Weil die Weidmann Gruppe familiengeführt ist, sei schnelles Reagieren auf Krisen besser möglich. Laut der Verwaltungsratspräsidentin «sind wir sehr agil unterwegs und dadurch widerstandsfähiger». Hinsichtlich der Globalisierung sieht sie Limiten. Als entscheidend erachtet sie, Fabriken regional in der Nähe der Kunden aufzubauen und nicht nur auf einen Standort zu setzen. «Kunden sind heute durchaus bereit, mehr zu bezahlen, wenn in ihrer Nähe produziert wird beziehungsweise die Lieferkette kurz ist.»
Weidmann Holding AG
Die Weidmann Gruppe ist eine international führende Anbieterin von technischen Produkten und Dienstleistungen für die Elektrotechnik-, Medizin- und Pharmaindustrie sowie weitere ausgewählte Geschäftsfelder. Mit fast 150 Jahren Erfahrung konzipiert Weidmann technisch hoch entwickelte Lösungen, die den komplexen Anforderungen der Kunden gerecht werden. Die Weidmann Gruppe mit Hauptsitz in Rapperswil-Jona SG ist weltweit an rund 20 Standorten tätig, beschäftigt etwa 2700 Mitarbeitende und erarbeitete 2022 einen Umsatz von 373 Millionen Schweizer Franken.
Franziska Tschudi Sauber, Verwaltungsratspräsidentin der Weidmann Holding AG
Die 64-jährige Franziska Tschudi Sauber ist seit April 2023 Präsidentin des Verwaltungsrats der Weidmann Holding AG. Zuvor war sie ab 2001 Chief Executive Officer und Delegierte des Verwaltungsrats. Ins Unternehmen eingetreten war sie schon 1995, als sie als Mitglied der Geschäftsleitung zunächst für die Unternehmensentwicklung und ab 1998 für die Business Area Electrical Technology in der Region Asia/Pacific verantwortlich war. Franziska Tschudi Sauber studierte in Bern und in den USA Rechtswissenschaften, erwarb das Rechtsanwaltspatent und absolvierte einen Executive MBA in Unternehmensführung an der HSG.