Westasien: der Mittlere und der Nahe Osten

Gastbeitrag von Philippe Welti und Daniel Woker
Ehemalige schweizerische Botschafter und Gründer von ‘Share-an-Ambassador/Geopolitik von Experten’

Geopolitik, warum und was
Der Mittlere und speziell der Nahe Osten werden nicht unbedingt ‘Asien’ zugeordnet, wo China und allenfalls Indien im Mittelpunkt stehen. Aber auch Westasien ist Teil des Grossraums Asien-Pazifik (AP). Nicht nur geographisch. Zahlreiche geopolitische Voraussetzungen - also der politische, wirtschaftliche und kulturelle Hintergrund - der Region Mittlerer Osten sind mit anderen Teilen des AP’s vergleichbar: Feudale resp. autoritäre politische Ordnungsstruktur, wirtschaftliche Erfolgsstories, die Vereinten Arabischen Emirate als mittelöstliches Singapur etwa, aber auch oft das Gegenteil davon sowie Religion als Ursache und Deckmantel von Konflikten.

Im Mittelpunkt des aktuellen Interessens steht der Gegensatz zwischen dem schiitischen Lager, angeführt vom Iran und der sunnitischen Welt mit Saudi-Arabien an der Spitze als Geburtsland des Islam.

Iran
Der Grossraum des Persischen Golfes ist seit der Gründung der Islamischen Republik Iran wieder zu einer akuten Konfrontationslinie im ursprünglichen, ethnisch motivierten arabischen-persischen Gegensatz geworden, überlagert vom schiitisch-sunnitischen Glaubensgegensatz. Das offizielle Iran glaubt, aus sicherheitspolitisch-strategischen Gründen auf die Kontrolle über schiitische Siedlungsräume westwärts angewiesen zu sein. Aktuell durch den ‘Schiitischen Halbmond’ vom Iran über den gespaltenen Irak und das kriegsverwüstete Syrien - wo das alawitische Assad-Regime als quasi-schiitisch zu betrachten ist - in den Libanon (Hizbollah) und den Gaza-Streifen (Hamas). Daher die heftige Reaktion auf die gezielte Tötung durch die USA des führenden Exponenten des schiitischen Anspruchs ausserhalb Irans, General Soleimani.

Allerdings hat sich in der Folge einmal mehr bestätigt, dass weder Teheran noch Washington einen offenen Konflikt riskieren wollen. Die iranischen Machthaber wissen genau, dass ein guter Teil ihrer Untertanen die mit schiitischer Grossmachtpolitik verschwendeten Ressourcen lieber im eigenen Land genutzt sehen möchten. 40% Inflation und der zerfallende Aussenwert des Rial führen wieder zu Demonstrationen gegen die Regierung. Diese wirtschaftliche Misere ist zu einem guten Teil auf direkte und indirekte Massnahmen der amerikanischen Regierung gegen den Iran zurückzuführen, der ominöse ‘maximal pressure’ von Trump.

Auch wenn Europa, im Gegensatz zu den USA, weiterhin am wegweisenden Abkommen mit dem Iran festhält, welches die nukleare Proliferation im Mittleren Osten entscheidend eingedämmt hat. Die amerikanische Wirtschaftsmacht und insbesondere die internationale Leitwährung Dollar führen dazu, dass Exporte nach dem Iran praktisch verunmöglicht werden. Ob dies wirklich zum von Washington angestrebten Regimewechsel in Teheran führen wird, ist höchst ungewiss. Zudem hat sich Trump mit seiner bedingungslosen Parteinahme für Saudi-Arabien jeder Möglichkeit beraubt, im Sinne übergeordneter Interessen der Weltwirtschaft als Schiedsrichter tätig zu werden.