Die Schweizer Wirtschaft im Zeichen der Corona-Pandemie

Expertenbeitrag – von Monika Rühl, Vorsitzende der Geschäftsleitung economiesuisse

Monika Rühl
Vorsitzende der Geschäftsleitung
economiesuisse

Niemand weiss, wie lange die Corona-Pandemie dauert. Die Lage ändert sich rasant. Ich gehe davon aus, dass sich die Situation zwischen Redaktionsschluss und Publikation dieses Journals weiter ändern wird. Ich möchte deshalb darauf hinweisen, dass dieser Beitrag auf dem Informationsstand vom 18. März 2020 basiert. Dennoch möchte ich den Versuch einer Einordnung unternehmen.

Fakt ist, dass Corona die erste Pandemie der jüngeren Geschichte ist, ein direkter historischer Vergleich zur Einordnung ihrer Auswirkungen auf die Wirtschaft fehlt daher. Der Vergleich mit der SARS-Epidemie 2002/2003 hinkt, da damals die weltwirtschaftliche Bedeutung Chinas viel kleiner war und die Krise sich nicht nach Europa und in die USA ausgeweitet hat. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie bewegen sich auf einem Niveau, das dem Einbruch zur Zeit der Finanz- und Wirtschaftskrise gleichkommt bzw. darüber hinausgehen könnte. Sie sind schon jetzt stark spürbar und werden umso grösser ausfallen, je länger die Krise dauert. Derzeit ist davon auszugehen, dass die Weltwirtschaft 2020 deutlich schwächer wachsen wird als im Vorjahr. Eine Rezession wird leider immer wahrscheinlicher. In der Schweiz sind Exportindustrie und Binnenwirtschaft gleichermassen betroffen.

Als Akteure in der Exportindustrie fragen Sie sich, wie die Auswirkungen der Pandemie die Schweizer Aussenwirtschaft treffen werden. Wohl haben Sie in Ihrem Betrieb bereits intensive Diskussionen darüber geführt. Seit Verbreitung des Virus in China hat die dortige Nachfrage nach Schweizer Produkten abgenommen. Dies traf schon früh die Schweizer Uhrenindustrie. Mit der weltweiten Ausbreitung kommt nun die Abschwächung der Weltwirtschaft als weiteres Problem hinzu. Während sich die Auswirkungen von SARS vor allem auf Asien konzentrierten, belastet die Corona-Pandemie nun die ganze Welt. Vom Rückgang der globalen Nachfrage ist auch die Schweizer Produktion betroffen: wegen der internationalen Lieferketten sind Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Rohstoffen oder Vorleistungsprodukten spürbar. Die Einführung von Einreiseverboten in verschiedenen Ländern schwächt ausserdem die für die Aussenwirtschaft zentrale Logistik. So trifft beispielsweise das Einreiseverbot der USA nicht nur viele Schweizer Reisende, sondern auch die Luftfracht. Wertmässig erfolgt rund die Hälfte aller Exporte über diesen Weg. Seit dem 14. März fliegt die Swiss ab Zürich nur noch zwei statt der bisher 13 Ziele in den USA an. Dadurch werden die Transportkapazitäten für Schweizer Produkte massiv reduziert. Dies schmerzt vor allem, weil die USA der zweitgrösste Abnehmer Schweizer Exportprodukte sind. Auch die Grenzschliessung, die der Bundesrat am 16. März 2020 beschlossen hat, wird die Schweizer Wirtschaft hart treffen. Selbst wenn die Grenzen für Waren und Arbeitnehmende weiterhin offen sind, so führen die Grenzkontrollen zu Staus. Für die 330 000 Grenzgänger und ihre Arbeitgeber werden die nächsten Wochen zu einer Belastungsprobe. Ausserdem sind Nachfrage, Produktion und Logistik gleichermassen betroffen, wenn nun Arbeitnehmer aufgrund von Quarantänemassnahmen, Krankheit, Vorsichtsmassnahmen oder wegen der Kinderbetreuung ausserordentlich abwesend sind.

Die Lage ist ernst. Deshalb müssen sofort zweckmässige Massnahmen getroffen werden. Mit der Kurzarbeitsentschädigung verfügen wir über ein zielgerichtetes, erprobtes und erfolgreiches Instrument, das zum richtigen Zeitpunkt wirkt. Dadurch können Unternehmen ihre Kosten stark reduzieren. Den Entscheid des Bundesrats, die Karenzfrist zu reduzieren und unnötige Bürokratie abzubauen, begrüssen wir. Der Bundesrat anerkennt damit den hohen Nutzen dieses Instruments. Es muss zweifellos auch eine Lösung gefunden werden, wie Liquiditätsschwierigkeiten begegnet werden kann. Das Instrument der verbürgten Bankkredite ist sinnvoll. Bürgschaften für an sich solvente Unternehmen können für die Überbrückung von finanziellen Engpässen eine wichtige Rolle spielen und Banken ergänzen. Festzuhalten ist, dass Banken grundsätzlich kein Interesse daran haben, dass solvente Kunden in Konkurs gehen. Ausserdem dürfte die Finanzwelt heute besser auf eine Schieflage reagieren können, als dies noch zur Zeit der Finanzkrise der Fall war. Das dürfte sich positiv auf die Exportfinanzierung auswirken. Dennoch werden sich Zahlungsausfälle häufen. Unweigerlich erhöht sich in solchen Zeiten die strategische Bedeutung von Eigenkapital und Liquidität eines Unternehmens. Wenn der Staat die Unternehmen zu Schliessungen verpflichtet, ist auch der geplante Entschädigungsfonds richtig. Die administrative Umsetzung wird allerdings sehr anspruchsvoll sein. Mitnahmeeffekte, Abgrenzungsschwierigkeiten und Ungleichbehandlungen sind möglichst zu vermeiden. Zusätzlich sollten die Kantone in die Pflicht genommen werden. Sie sind näher an den KMU und können besser beurteilen, ob ein Unternehmen nur wegen der Coronakrise in Schieflage geraten ist. Zudem verfügen die Kantone auch über ausreichende finanzielle Mittel, um Härtefälle zu unterstützen.

Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation und müssen nun zusammenstehen, um gemeinsam so rasch als möglich in die Normalität zurückzufinden.

swiss export Journal 2/20